Digitaler Themenstammtisch im Mai 2020

FDP: Bürger- und Freiheitsrechte nicht aus dem Auge verlieren


Wegen der durch die Corona-Pandemie verursachten Einschränkungen kann die Schurwald-FDP ihren Themenstammtisch bis auf Weiteres nicht wie gewohnt in der Schurwaldhalle durchführen. Deshalb wurde auf unserer Homepage ein digitaler Themenstammtisch eingerichtet. Dort stellen wir Themen und Meinungen ein und geben den Nutzern digitale Möglichkeiten, Inhalte zu kommentieren und weiterzuleiten.

Der Schwerpunkt liegt auf aktuellen Themen, vorzugsweise – aber nicht ausschließlich – aus unserem unmittelbaren kommunalen Bereich. Dabei geht es uns nicht um rückwärtsgewandte Betrachtungen oder gar Besserwisserei, sondern darum, mehr Bürgerinnen und Bürger zu einer aktiven Teilnahme an der Gestaltung unseres Gemeinwesens zu animieren. Je mehr unterschiedliche Informationen und Meinungen offen ausgetauscht und fair gegeneinander abgewogen werden, desto sachgerechter können demokratische Entscheidungen gefällt werden. Darauf basieren Akzeptanz und Stabilität einer parlamentarischen Demokratie. 

In der Corona-Pandemie hat unser demokratischer Rechtsstaat auf allen Ebenen verantwortlich und weitgehend erfolgreich gehandelt. Weil aber manche Schutzmaßnahmen dazu führen, dass sogar Grundrechte massiv eingeschränkt sind, dürfen wir die Bürger- und Freiheitsrechte insgesamt nicht aus dem Auge verlieren.

Die Ungewissheit über den medizinischen Verlauf und die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Krise verlangt von den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung rasche und flexible Entscheidungen. Umso mehr müssen wir unsere politische Achtsamkeit darauf richten, dass bei keiner Maßnahme der Weg der Rechtsstaatlichkeit verlassen wird. Dabei hilft der eherne Grundsatz, dass die Sitzungen aller unserer Parlamente stets öffentlich sein müssen.

Was für Europaparlament, Bundestag und Landtage verbindlich ist, gilt auch für unsere kommunalen Gremien. Ausdrücklich bekräftigt wird das Prinzip der Öffentlichkeit der Gemeinderatsitzung in § 35 der baden-württembergischen Gemeindeordnung, in dem auch die Ausnahmen definiert werden. Dieses Prinzip ist in den Gemeindesatzungen explizit wiederholt.

Unser digitaler Themenstammtisch geht nachstehend  aktuell auf dieses Problem ein. Uns beschäftigt dabei weniger, welches Thema nur nichtöffentlich behandelt werden darf, sondern vielmehr die Frage, was wie lange nichtöffentlich bleiben darf. 

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Gedanken zur prinzipiellen Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzung:

A)
Vor allem in den Revolutionen der vielen Freiheitsbewegungen um 1848/49 haben mutige Bürgerinnen und Bürger unter Einsatz ihrer Freiheit und ihres Lebens darum gekämpft, dass nicht mehr die Monarchen und die Ständevertreter selbstherrlich herrschen, sondern dass das ganze Volk der Souverän ist.

B)
In unserer heutigen repräsentativen parlamentarischen Demokratie delegiert dieser Souverän seine Macht an gewählte Gremien, und zwar jeweils nur auf Zeit, also für eine Legislaturperiode. Der Bürgerschaft am nächsten steht ein Stadt- oder Gemeinderat. Dennoch sollen die einzelnen Bürgerinnen und Bürger am Wirken des Gemeinderates beteiligt bleiben, auch wenn sie selbst diesem Gremium nicht angehören. Diese Mitwirkung besteht einerseits aus konstruktiver Mitarbeit, z.B. als sachverständige/r Bürger/in, andererseits aus kritischer Kontrolle, z.B. durch geregelte Einsicht in Entscheidungs-Vorlagen und Beschlüsse oder durch Fragerecht zu Beginn von Gemeinderatssitzungen.

C)
Die Mitwirkung der Bürgerschaft bedingt, dass über alle Angelegenheiten grundsätzlich öffentlich verhandelt wird. Nach § 35 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg muss vom Grundsatz der Öffentlichkeit abgewichen werden, wenn das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner es erfordert, nichtöffentlich zu verhandeln. Nicht selten entstehen bereits Meinungsunterscheide darüber, unter welchen Voraussetzungen nichtöffentlich verhandelt werden darf. Eine primäre Kontrolle kann durch den Gemeinderat selbst erfolgen. Jeder einzelne Gemeinderat kann beantragen, dass darüber verhandelt wird, ob ein als nichtöffentlich angesetzter Gegenstand nicht doch öffentlich verhandelt werden muss. Naturgemäß muss über diese Debatte nichtöffentlich verhandelt werden. Daher hängt es von der Mehrheit der Gemeinderäte ab, ob dieses Instrument im Sinne der Forderung nach Öffentlichkeit Wirkung zeigen kann.

D)
Selbst wenn eine Verhandlung nichtöffentlich stattgefunden hat, müssen gefasste Beschlüsse spätestens in der nächsten öffentlichen Sitzung im Wortlaut verkündet werden, soweit nicht das öffentliche Wohl oder Einzelinteressen entgegenstehen. Sicher gibt es Fälle, in denen sowohl nichtöffentliche Verhandlung als auch Nicht-Veröffentlichung zweifelsfrei berechtigt sind. Allerdings gibt es ebenso sicher Fälle, bei denen wegen besonderer Umstände eine nichtöffentliche Verhandlung zwar noch zu rechtfertigen ist, nicht jedoch eine Nicht-Veröffentlichung der dort gefassten Beschlüsse.

E)
In der kommunalen Praxis wirksam und nützlich ist es, wenn von der Möglichkeit nach Satz 2 des § 35 Gemeindeordnung Gebrauch gemacht wird. Er ermächtigt den Bürgermeister, die Gemeinderäte von ihrer Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, wenn die Notwendigkeit zur Nichtöffentlichkeit nicht mehr besteht. Alternativ oder ergänzend dazu könnte ein kommunikationsfreundlicher Bürgermeister im rechtlich zulässigen Rahmen über Themen einer nichtöffentlichen Sitzung zwar nicht im Detail berichten, wohl aber im Allgemeinen.

F)
So berechtigt es ist, manche Themen nur nichtöffentliche zu diskutieren und zu entscheiden, so wenig nötig ist es, der Öffentlichkeit – also den eigenen Bürgerinnen und Bürger – Themen und Beschlüsse vorzuenthalten, wenn die Voraussetzungen für die Nichtöffentlichkeit nicht mehr gegeben sind. Wenn der Interessen-Schutz nicht mehr greift, wird eine Unterrichtung der Öffentlichkeit sogar dringend notwendig. Denn nur dann kann die Bürgerschaft das Wirken von Gemeinderat und Gemeindeverwaltung verstehen und nachvollziehen. Und nur dann kann er auch auf unterschiedlichste Weise mitwirken oder wenigstens für die nächste Wahl gute Argumente pro oder contra haben. Letztendlich vermeidet eine offene Unterrichtung und Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger ihr Abwandern in Desinteresse, Teilnahmslosigkeit, Wahlboykott oder Schlimmeres.

Wir freuen uns auf Anregungen und Kommentare, auch kritische, auch auf sachlichen Widerspruch, sofern Fairness und Achtsamkeit gewahrt bleiben.

FDP-Ortsverband Schurwald
Dr. Josef Dornbach
Vorsitzender

                                              

                                              

Der Blick von der Höhe des Schurwald

Gemeindeordnung für Baden-Württemberg
(Gemeindeordnung – GemO)

in der Fassung vom 24. Juli 2000

§ 35 Öffentlichkeit der Sitzungen

(1) Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich. Nichtöffentlich darf nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern; über Gegenstände, bei denen diese Voraussetzungen vorliegen, muss nichtöffentlich verhandelt werden. Über Anträge aus der Mitte des Gemeinderats, einen Verhandlungsgegenstand entgegen der Tagesordnung in öffentlicher oder nichtöffentlicher Sitzung zu behandeln, wird in nichtöffentlicher Sitzung beraten und entschieden. In nichtöffentlicher Sitzung nach Satz 2 gefasste Beschlüsse sind nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit oder, wenn dies ungeeignet ist, in der nächsten öffentlichen Sitzung im Wortlaut bekannt zu geben, soweit nicht das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner entgegenstehen.

(2) Die Gemeinderäte sind zur Verschwiegenheit über alle in nichtöffentlicher Sitzung behandelten Angelegenheiten so lange verpflichtet, bis sie der Bürgermeister von der Schweigepflicht entbindet; dies gilt nicht für Beschlüsse, soweit sie nach Absatz 1 Satz 4 bekannt gegeben worden sind.

Schreiben Sie uns Ihre Meinung an post@fdp-schurwald.de

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